Monika Feth im Interview Bildrahmen

Den Weg
zum Schreiben finden

Ein Interview von Nele Rummert über Monika Feths Ideen, Geschichten und ihre große Leidenschaft: das Schreiben.

Frau Feth, finden Sie die Geschichte oder findet die Geschichte Sie?

Die Geschichte findet mich, und ich mache es ihr sehr leicht, denn ich bin süchtig nach Geschichten und lasse mich auf sie ein. Zu jedem Menschen, dem ich begegne, fällt mir sofort eine Geschichte ein. Das ist manchmal ziemlich irritierend, aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Ich plane einen Roman nicht durch, bevor ich mit dem Schreiben beginne. Ich entwerfe einen groben Plot und fange dann sofort an zu schreiben. Die Geschichte entwickelt sich von Satz zu Satz, Kapitel zu Kapitel. Das ist ein so aufregender Prozess, dass mir selbst manchmal der Atem stockt.

Jette, Merle, Imke …

Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihren Romanfiguren?

Ich liebe sie. Sie sind mir sehr vertraut. Immerhin leben wir ein gutes Jahr miteinander, bevor ich sie in die Welt hinausschicke. Es kommt vor, dass ich die eine oder andere Figur bevorzuge, aber im Grunde mag ich sie alle, selbst die Täter. Ich bin in ihre Haut geschlüpft und habe ihre tiefsten Geheimnisse erkundet – so kann ich manches verstehen, was sie anderen antun, wenn ich es auch nicht entschuldigen kann. Jette, Merle, Imke Thalheim, der Kommissar Bert Melzig und all die anderen in den Erdbeerpflücker-Thrillern sind meine zweite Familie geworden. Mit Romy, Calypso und den übrigen neuen Figuren aus dem Teufelsengel habe ich neue faszinierende Menschen entdeckt.

Das erste Romy-Buch handelt von Exorzismus, außerdem haben Sie bereits über Stalking, den Tod von engen Familienmitgliedern oder Sekten geschrieben – wie kommen Sie zu Ihren Themen?

Manchmal genügt ein Anstoß von außen. Bei Das Blaue Mädchen war es eine Zeitungsnotiz. Bei Fee war es das Schicksal eines schwerstbehinderten Mädchens aus einem Nachbarort, von dem ich gehört hatte. Beim Erdbeerpflücker waren es die Saisonarbeiter, die in den Sommermonaten auf den Feldern rings um unser Dorf die Erdbeeren ernten. Beim Teufelsengel gab es keinen konkreten Anlass. Da haben mehrere Dinge mitgespielt – meine Schulzeit in einer Klosterschule, Filme und Bücher über Teufelsaustreibungen, die Erkenntnis, dass es so einfach zu sein scheint, Menschen zu manipulieren …

Ich habe die Jahre meines Studiums mit Lesen zugebracht und damals schon den Grundstein für die meisten meiner Bücher gelegt. Mich hat alles interessiert. Ich war ausgehungert nach Worten und Geschichten. Noch immer schöpfe ich heute aus dem Fundus von damals.

Wollten Sie denn schon damals schreiben?

Nein, ich hätte mir nie zugetraut Autorin zu werden. In meiner Familie war ich die erste, die Abitur gemacht hat. Lesen galt bei uns als Luxus für reiche Leute. Ich bin dann an die Uni gegangen und habe Germanistik und Anglistik studiert. Plötzlich durfte ich lesen, so viel ich wollte. Niemand hat mir vorgeworfen, ich verplempere meine Zeit, plötzlich bekam ich sogar gute Noten dafür …

Das war phänomenal.

Zitat: Der Virus des Schreibens …

Und vom Lesen ging es dann direkt zum Schreiben über?

Ja. Aber mein erstes Buch war reiner Zufall. Ein Kommilitone hatte aus Angst vor einer Prüfung Selbstmord begangen und ich wollte das niemals vergessen. Also habe ich mich nach meinem Examen hingesetzt und die Beobachtungen, die ich im Jahr der Prüfungsvorbereitungen gemacht hatte, niedergeschrieben. So entstand mein erstes Buch. Ich fand sofort einen Verlag, und plötzlich war ich Autorin, ohne es geplant zu haben …

Der Virus des Schreibens ließ mich dann nicht mehr los.

Sie schreiben heute hauptsächlich Jugendbücher – wie ist es dazu gekommen?

Anfangs habe ich für Erwachsene geschrieben, aber ich begann ziemlich rasch, mich in der Literaturszene zu langweilen. Es war alles so … künstlich, so … berechenbar. Und ich stellte fest, dass viele Autoren ihre Leser nicht ernstnahmen, sie nicht einmal besonders schätzten. Ich habe mich nach etwas Ursprünglichem, Unverfälschtem gesehnt. Es war nur folgerichtig, dass ich dann anfing für Kinder zu schreiben. Was übrigens viel schwerer ist, als für Erwachsene zu schreiben. Kinder haben ein untrügliches Gespür für richtig und falsch. Sie verstehen etwas von Literatur und sind unbestechlich. Um sie zu begeistern, muss man sein Handwerk schon beherrschen. Und dann entstand mein erstes Jugendbuch. Wieder zufällig. Ich wollte über das Sterben dieses kranken Mädchens aus dem Nachbarort schreiben. Das war kein Thema für ein Kinderbuch, denn das Mädchen war zwanzig, als sie starb. So entstand Fee. Und so kam ich zum Jugendbuch. Es war unglaublich befreiend, endlich einmal wieder drauf los schreiben zu können, ohne ständig darüber nachzudenken, welche Worte ein Achtjähriger versteht und welche nicht. Es gab keine Barrieren mehr – das war eine tolle Erfahrung. Ja, und beim Jugendbuch bin ich bis jetzt geblieben.

Manchmal bilde ich mir ein …

Was ist das Besondere am Jugendbuch?

Ich mag die Unterscheidung zwischen Jugend- und Erwachsenenbuch überhaupt nicht. Viele Erwachsene lesen heute leidenschaftlich gern Jugendbücher, weil sie dort solides Handwerk und einen guten Spannungsbogen finden. Andererseits haben Jugendliche schon immer Literatur für Erwachsene gelesen. Was ein Jugendbuch von einem Erwachsenenbuch unterscheidet, ist vielleicht die Tatsache, dass die Protagonisten meistens jüngere Menschen sind. Doch auch dieses Zugeständnis an die jungen Erwachsenen halte ich eigentlich nicht für notwendig. Die Grenzen verwischen allmählich und das ist gut so. Stellen Sie sich einen Sechzehnjährigen vor, der auf der Suche nach einem Buch in die Kinderbuchabteilung gehen muss, um dort das Regal für Jugendliteratur zu suchen! Das schreckt ihn doch gleich ab. Ich wünschte mir, die Jugendlichen würden ernster genommen. Ihre Bücher gehören in die Belletristikabteilung, meinetwegen in ein spezielles Regal mit der Aufschrift: Besonders für junge Leser geeignet, wenn es denn unbedingt sein muss.

Sie haben auch Bilderbücher veröffentlicht – wie ist die Herangehensweise hier?

Anders. Kinder reagieren bei Lesungen spontan. Wenn sie sich langweilen, fangen sie an zu gähnen, sie ruckeln auf den Stühlen, sie zanken sich mit den Nachbarn und schon liegt der erste auf dem Boden. Der Autor bekommt von ihnen ein absolut ehrliches Feedback. Er weiß sofort, ob sein Text fesselt oder nicht. Für mich sind Bilderbücher eine Besonderheit und äußerst kostbar. Sie sind die ideale Verbindung von Text und Bild. Übrigens ist nichts schwerer, als eine wirklich gute, poetische Bilderbuchgeschichte zu schreiben. Ich arbeite niemals an zwei Büchern gleichzeitig. Ein Krimi beansprucht meine ganze Konzentration. Allerdings schreibe ich hin und wieder einen Bilderbuchtext parallel. Weil beide Texte völlig unterschiedlich von Art und Länge sind. Für 400 Seiten brauche ich circa ein Jahr. Dann noch zwei bis drei Monate zum Überarbeiten. Aber das Gefühl, jemals mit einem Buch fertig zu sein – das kenne ich nicht. Wenn es keinen Angabetermin gäbe, würde ich vielleicht noch heute an meinem ersten Manuskript feilen …

Trotzdem nehmen Sie sich Zeit für Ihre Leser?

Auf jeden Fall. Jeden Tag beantworte ich eine Stunde lang meine Fanpost. Das Schöne ist, dass Jugendliche keine Scheu haben zu schreiben, zu fragen – und sogar Handlungswünsche und -empfehlungen zu äußern. Das finde ich klasse. Vielleicht stimmt es, dass heute weniger Jugendliche lesen, aber diejenigen, die es tun, die diskutieren auch darüber. Es gibt zahlreiche Blogs und Chaträume, in denen sich die jungen Leute ganz rege austauschen. Über Literatur! Das freut mich ungemein.

(Die Fragen stellte Nele Rummert © BeNet Gütersloh)

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